In Zeiten des Fachkräftemangels und eines veränderten Selbstverständnisses der jungen Generation sind neue Lösungen gefragt. Vor allem aber muss man die „Gen Y“ verstehen. Hier ein paar Einblicke, die wir als Agentur für das Employer Branding und High Potential Recruiting von Siemens gewinnen konnten.
Über die Generation Y ist in den vergangenen zwei Jahren ausführlich und von Experten jeglicher Couleur diskutiert worden. Über technische Attribute wie „Digital Natives“, mystifizierende Bezeichnungen wie „The Others“ aber auch - eindeutig von Unverständnis für das Grundverhalten dieser neuen Spezies - geprägte Namensgebungen wie „Generation Weichei“ oder „Generation Ich-kann-mich-nicht-entscheiden-macht-aber-auch-nichts“ kam so ziemlich alles auf den Tisch.
Während die klassischen Medien mit Grundlagenforschung an die Sache herangingen, hielten sich diejenigen, die dieses neue Konzept in Deutschland am direktesten (und wohl auch härtesten) trifft, größtenteils noch vornehm bis ängstlich zurück: Klassische Unternehmen und deren Personalbüros (Anm. d. Red.: Schönes Wort, sagt schon einiges aus).
Unserem Land geht es gut. 99% der Unternehmen in Deutschland werden im Jahr 2014 vakante Stellen haben, beinahe die Hälfte der Unternehmen werden ein Nettowachstum in Sachen Belegschaft erreichen. Dumm nur: Deutschland hat einen klar erkennbaren Fachkräftemangel. Die Babyboomer verabschieden sich in absehbarer Zukunft in den Ruhestand und die geburtenschwachen Jahrgänge der „Generation Golf“ reichen zahlenmäßig einfach nicht aus. Der „War for Talent“ ist voll entbrannt. Die HR-Abteilungen haben sich auf diesen Kampf eingestellt und eigene Waffen entwickelt. Für die vorhandenen Fachkräfte hieß das meist: Mehr Geld, internationales Arbeiten, Statussymbole wie standesgemäße Firmenwagen und einen schönen Titel mit „Manager“ oder „Director“ auf der Visitenkarte – aber bitte mit Reliefdruck. Wenn Unternehmen mit einem solchen Karriereangebot gewunken haben, haben sich die meisten von uns gefreut, sich bewerben zu dürfen.
Und hier ist der Knackpunkt. Die „Generation Y“ - und damit der aktuelle Pool an möglichen neuen Mitarbeitern - freut sich nicht mehr, sich bewerben zu dürfen. Diese Generation ist in einer zerrissenen Welt aufgewachsen: Einerseits von den Eltern behütet, beschützt, intensiv begleitet und mit jeder Menge positiven Feedbacks versorgt. Auf der anderen Seite von der Welt da draußen verunsichert: Terrorismus und durch digitale Kanäle fühlbar nahe Kriege. Von Unternehmen (und somit Marken) enttäuscht: Bankenskandale, Lebensmittelskandale, Managementskandale (und überhaupt jede Menge Skandale). Technologisch vernetzt bis über beide Ohren: always on, mit Web und sozialen Netzwerken aufgewachsen (und nicht mühsam erlernt), kritisch und enorm mächtig, selbstbewusst und vor allem aktiv, was den Umgang mit Marken angeht. Aus diesen Grundumständen heraus resultiert eine neue Wahrnehmung der eigenen beruflichen Laufbahn – und eine neue Anforderungshaltung an Unternehmen: Nicht ich als potenzieller Arbeitnehmer muss Karriere machen und darf mich glücklich schätzen ein Bewerbungsgespräch, und vielleicht einen Job, zu bekommen. Nein, heute ist es andersherum. Ich bin knappe Ressource und du, liebes Unternehmen, darfst dich bei mir bewerben. Mal sehen, ob ich Dich mag.
Uff. Wo anfangen? Erstes Ziel muss es doch sein, eine anständige, glaubwürdige und begehrenswerte Marke als Arbeitgeber aufzubauen. Eine Kombination aus der klassischen Produktmarke und einer reizvollen und glaubwürdigen Marke als „Mein Arbeitsplatz“. Eine Marke, die sich differenziert, die einzigartige Vorteile bietet, die emotionale und nachhaltige Identifikation schafft. Und das in allen relevanten Kanälen der Digital Natives. Eine Marke, die sich früh und bleibend einen Platz im Relevant Set der Zielgruppe Gen Y sichert. Eine Marke, die schon vor der Berufswahl und dem Ende der Ausbildung einen festen Platz hat. Eine Marke, die sich ohne jegliche Hürden, ohne getunten Lebenslauf, ohne Einträge im Führungszeugnis oder der Personalakte bewerben kann.
Das bedeutet Umdenken. Es reicht nicht mehr, die Stellen im vernachlässigten Bereich „Bei uns arbeiten“ zu platzieren, erst mal nicht mobil optimiert, denn bewerben wird man sich ja schließlich nicht per Smartphone. Es reicht nicht mehr, die Fakten der Stellenbeschreibung auf den großen, einschlägigen Portalen zu platzieren. Es reicht nicht mehr (und das geht ja teilweise noch als fortgeschritten durch), auf den Social Media Kanälen mit der Ausschreibung zu winken und auf den Richtigen zu warten. Es reicht auch nicht mehr, in Eigenregie oder über Headhunter in sozialen Netzwerken Active Sourcing zu betreiben. Es reicht nicht mehr. Modernes Recruiting muss sich der modernen Markenführung anpassen. Die glaubwürdige Arbeitgebermarke, die zu den neuen Grundwerten der Gen Y passt, muss der initiale Bestandteil sein, um eine glaubwürdige Bewerbung als Unternehmen schreiben zu können. Der postalische Versand der Bewerbung ist passé, die Gen Y nutzt digitale Kanäle, in der Produkt, Produktmarke, Employer Brand und die Bewerbung eben dieser Marke authentisch und glaubwürdig sein müssen. Perfekt zugeschnitten auf den Umworbenen und seine rationalen und emotionalen Bedürfnisse: Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten, technische Top-Ausstattung als Hygienefaktor, der Manager als persönlicher Coach und Mentor, Förderung und Forderung und und und.
Sehen Sie genau in den Spiegel: Wo stehen Sie als Unternehmen, wo sind Ihre Stärken, Ihre Schwächen als Arbeitgeber? Analysieren Sie sich ehrlich – Schummeleien und Schönheitskorrekturen haben kürzeste Halbwertszeiten. Stellen Sie Ihre USPs nach vorne, unterstreichen Sie Ihre Werte und vor allem Mehrwerte: Warum sollen gerade Sie ausgewählt werden? Sprechen Sie laut über flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Möglichkeiten, Kita-Plätze. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter offen und ehrlich in Social Media über die guten Weiterbildungsmöglichkeiten sprechen und ihre persönlichen Erfahrungen schildern. Über Sie gesprochen wird sowieso. Öffnen Sie aktiv diese Plattform für die authentischsten und glaubwürdigsten Botschafter Ihrer Marke und sorgen Sie dafür, dass es Positives zu berichten gibt! Entwickeln Sie Kernbotschaften für Ihre Marke als Arbeitgeber, geben Sie sich einen passenden Claim oder Slogan. Entwickeln Sie multimediale Inhalte, die Sie von den herkömmlichen Anzeigen abheben. Kürzen Sie Ihre Texte! Bringen Sie sich in die klassischen Recruitingmedien und die Social-Media-Kanäle. Optimieren Sie das alles mobil. Lassen Sie sich objektiv bewerten: Top-Platzierungen in Arbeitgeberrankings wirken Wunder. Gehen Sie an Unis, besuchen Sie Arbeitgebertage und Messen und präsentieren Sie sich in den zielgruppenrelevanten Medien. Mit relevanten imagebildenden Inhalten – und dann auch mit Recruitingzielen.
Employer Branding wird Markenführung, Recruiting wird 1:1-Dialog, die Anforderungen seitens der Gen Y sind enorm.
Schwierig sagen Sie? Lohnt sich nicht? Braucht man nicht? Gegenfrage: Wann haben Sie das letzte Mal eine Bewerbung bis zum Ende gelesen, die mit der gewöhnlichen Standardeinleitung „Sehr geehrte Damen und Herren, für Ihr spannendes Unternehmen interessiere ich mich…“ beginnt?
Sehen Sie? Gern sprechen wir auch mit Ihnen über neue Wege, Personal zu finden und zu gewinnen.